DE
Für diese Ausgabe beschäftigen wir uns
mit den vielfältigen sichtbaren und unsichtbaren Beziehungsgeflechten, in
die das Biotop auf den Sockeln der ehemaligen „Ehrentempels“ eingebettet
ist. Die Sockel sind Überreste des Nazi-Denkmals, das 1935 am Königisplatz
als erste Nazi-Kultstätte errichtet wurde und die Sarkophage der beim
gescheiterten „Bierhallenputsch“ 1923 getöteten NSDAP-Mitglieder
beherbergte. Nach dem Krieg, 1947, wurden die „Tempel“ abgerissen, ihre
Fundamente aber blieben erhalten. Später wurden sie mit Erde aufgefüllt und
bepflanzt, und im Laufe der Zeit entwickelten sich Biotope, die die beiden
Sockel heute bewohnen. Ihre Existenz ist lebendiges Zeugnis einer bis heute
ungelösten Debatte um den „richtigen“ Umgang mit dem ehemaligen Monument.
Während unserer Recherche kamen wir in Austausch mit dem
Komponisten Leon Zmelty, der an der Musikhochschule studiert, die sich
wiederum in unmittelbarer Nähe der Nazisockel befindet und zwar im Gebäude
des ehemaligen „Führerbau“. Leon hat für unsere Ruine eine Komposition für
sechs Saxophone geschrieben, die die historisch gewachsenen Verwicklungen um
das Biotop auf dem Nazisockel als Ausgangspunkt nimmt. Die Wahl des
Instruments hängt damit zusammen, dass es, wie wir von dem
Musikwissenschaftlicher Tobias Reichard erfuhren, vermutlich im
Nationalsozialismus kein Instrument gab, das kontroverser, symbolkräftiger,
‚politischer‘ war als das Saxophon. Am 16. Juli 2023 um 16 Uhr kommt die
Komposition am Max-Mannheimer-Platz beim nördlichen Nazisockel erstmals zur
Aufführung. Dazu erscheint unsere Textarbeit „Das Biotop auf dem
Nazisockel“, die sich auf persönliche Weise mit dem Monument und seinen
strukturellen, historischen, materiellen, organischen Verwicklungen
auseinandersetzt und das Biotop als elementaren Teil der heutigen Präsenz
der Sockel begreift.
Link zum Companion-Text:
Das Biotop auf dem Nazisockel / The Biotope on the Nazisockel
Jan Erbelding, Leo Heinik und
Maria VMier sind bildende Künstler*innen und leiten seit 2017
gemeinsam den nomadischen Kunstraum Ruine München. Ruine München legt einen
Schwerpunkt auf das Zeigen ephemerer Formate und begleitet dieser mit einer
Reihe von Künstler*inneneditionen. Im Laufe der Arbeit für Ruine München
Companions entwickelten Jan, Leo und Maria eine kollektive Praxis des
ortspezifischen (Ver-)Lernens, des Schreibens und der Bildproduktion, die
sie in Zukunft fortführen werden.
Leon Zmelty studierte
Komposition und Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
in der Klasse von Gordon Kampe. Anschließend setzte er sein Studium an der
Hochschule für Musik und Theater in München bei Moritz Eggert sowie an der
Jerusalem Academy of Music and Dance bei Yair Klartag fort. Neben
zahlreichen kammermusikalischen und orchestralen Konzerten nimmt das
Musiktheater einen besonderen Stellenwert in seinem Schaffen ein, so hat er
bisher 7 Musiktheaterprojekte realisiert, von klassischem Musiktheater bis
hin zu experimentellen, performativen Installationen. Im September 2021
gewann Leon Zmelty den Kompositioswettbewerb des Landesmusikrats Hamburg.
EN
For this Ruine we explore multiple visible and invisible webs of
interrelationships surrounding the biotope on the base of the former
‘Ehrentempel’, located in the center of Munich, close to Königsplatz. The
foundations are the remnants of the first Nazi-Monument built in 1935 as a
cultic site, housing the coffins of members of the Nazi Party who had been
killed in the failed ‘Beer Hall Putsch’, a hundred years ago in 1923. After
the war in 1947, the ‘Temples’ were demolished but the bases remained. Later
they were filled with earth and planted over, and over time biotopes
developed that inhabit the bases today. Their existence is living testimony
to a debate about the ‘right’ way to deal with the former monument that
remains unresolved to this day.
During our research, we came into
exchange with the composer Leon Zmelty, who studies at the Academy of Music,
which is located in the immediate vicinity of the Nazi pedestals, in the
building of the former ”Führerbau“. Leon has written for us a composition
for six saxophones, which takes the historically grown entanglements around
the biotope on the Nazi pedestal as a starting point. The choice of
instrument is related to the fact that, as we learned from musicologist
Tobias Reichard, there was probably no instrument in the Nazi-era that was
more controversial, more symbolic, more ‘political’ than the saxophone. On
July 16, 2023 at 4 p.m. the composition will be performed at the
Max-Mannheimer-Platz for the very first time.
Link to the Companion-text:
Das Biotop auf dem Nazisockel / The Biotope on the Nazisockel
Jan Erbelding, Leo Heinik and Maria VMier are visual artists
and have been co-running the nomadic art space Ruine München since 2017.
Ruine München focuses on showing ephemeral formats and accompanies this with
a series of artists’ editions. In the course of working for Ruine Munich
Companions, Jan, Leo, and Maria developed a collective practice of
place-specific (un-)learning, writing, and image production that they will
continue in the future.
Leon Zmelty studied composition and
music theory at the Hochschule für Musik und Theater Hamburg with Gordon
Kampe. He then continued his studies at the Hochschule für Musik und Theater
in Munich with Moritz Eggert and at the Jerusalem Academy of Music and Dance
with Yair Klartag. In addition to numerous chamber music and orchestral
concerts, music theater takes a special place in his work. He has realized 7
music theater projects so far, ranging from classical music theater to
experimental, performative installations. In September 2021 Leon Zmelty won
the composition competition of the Landesmusikrat Hamburg.
